Die Rückkehr der Gotteskrieger.

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Afghanistan, Provinz Ghasni

Der erste Kontakt. Eine Stimme am Handy. Sie knarzt durch den Lautsprecher. Sie wirkt entschieden, aber auch jung, hell, beinahe verletzlich. Auf dem Weg gibt sie uns letzte Anweisungen. Vier Fahrstunden von Kabul entfernt, die Provinz Ghasni im Zentrum Afghanistans. Wir sind auf der Nationalstraße an den Ruinen zerstörter Armeestützpunkte vorbeigefahren, an den Wracks ausgeglühter Militärfahrzeuge. Über weite Strecken ist die Fahrbahn alle hundert Meter von Explosionskratern aufgerissen. Dann lässt uns die Stimme abbiegen, sie lotst uns immer weiter weg von der Nationalstraße. Immer tiefer in ein Land, in dem es nahezu keine Straßen gibt, nur Ziegenpfade. Die Reifen des Toyota drehen im Sand durch, der Wagen setzt auf Felsen auf. Wenig später, nach dem letzten Posten der Regierung, einer Festung auf einem Hügel, über dem die afghanische Flagge weht, bricht die Verbindung ab.

„Ist das der richtige Ort?“, fragt kurz darauf unser Fahrer. Angespannt warten wir auf einem Dorfplatz, er ist leer, das Dorf scheint verlassen. Unser Fahrer schaut auf das Telefon, das immer noch kein Signal anzeigt. Der Treffpunkt, der uns am Telefon genannt wurde: die erste Siedlung nach den Regierungslinien. Ein paar armselige Lehmhütten. Die Menschen sind schon vor Jahren aus Angst geflohen. Niemandsland. „Ich weiß nicht, ob wir hier richtig sind“, sagt der Fahrer noch einmal. Wir überlegen umzukehren, da treten plötzlich sieben bewaffnete Männer auf den Platz. „Friede sei mit euch“, sagt einer von ihnen mit der jungenhaften Stimme, die uns vom Telefon her vertraut ist.

Er lächelt, doch rasch verschwindet das Lächeln wieder. Nisar, so stellt er sich vor, ein Name, von dem er weiß, dass wir wissen, dass es nicht sein richtiger ist. Er wird für die nächsten Tage unser Begleiter sein. Wir, die Reporter des ZEITmagazins, haben diese Reise über Monate vorbereitet. Dennoch sind wir nervös. Wir begeben uns in die Hände derer, von denen wir bisher fürchteten, dass sie uns entführen könnten.

Westliche Journalisten haben sich aus Sicherheitsgründen stets nur für wenige Stunden bei den Taliban aufgehalten. Seit Jahren sind wir die ersten, die sich ihnen für mehrere Tage anvertrauen werden. Wir wollen über die berichten, die das mächtigste Militär der Welt mürbe gekämpft, die ein Land geschaffen haben, das auf keiner internationalen Karte offiziell verzeichnet ist, den Staat der Taliban. Die Taliban sind von vielen gefürchtet. Und doch werden sie verehrt, Menschen stürzen sich für sie in den Tod, lassen sich für sie foltern und einsperren. Die Taliban, die Hoffnung vieler.

Fotografie: Andy Spyra
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