Das Haupt­quartier.

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Syrien, Aleppo

Das Bild, auf das sich alle Blicke richten, flimmert auf. Es zeigt das Weiße Haus in Washington, es zeigt ein leeres Rednerpult, dann zerfällt es in Pixel. Die Männer vor dem Fernsehschirm stöhnen auf, Oberst Abdel Dschabbar Akaidi greift zur Fernbedienung.

Er sitzt im Hauptquartier der Freien Syrischen Armee (FSA) in Aleppo. Mit seinen wichtigsten Offizieren wartet er auf den Moment, der dem Bürgerkrieg in Syrien eine Wende geben könnte. Nur noch wenige Minuten sind es an diesem Samstag, dem 31. August, dann wird Barack Obama seine Rede halten. Oberst Akaidi rechnet fest damit, dass die Amerikaner unmittelbar nach der Rede angreifen werden. Mit ausgestrecktem Arm hält er die Fernbedienung in Richtung Fernseher und wechselt den Sender, bis irgendwann das Standbild mit dem leeren Rednerpult wieder erscheint.

In Washington tritt der amerikanische Präsident ans Mikrofon. In Aleppo richtet sich Akaidi nervös in seinem Stuhl auf. Er hat dunkle Augenringe, ist unrasiert, müde. Seit Tagen hat er kaum geschlafen, jetzt stützt er sein Kinn auf die Fäuste. Der 52-jährige Akaidi kommandiert den Großteil der Rebellentruppen in der Provinz Aleppo und gilt als einer der wichtigsten Anführer der bewaffneten Opposition.

„Good afternoon, everybody“, sagt der Präsident.

In den vergangenen Tagen hat Akaidi seine Kämpfer neu positioniert und Munition verteilt. Er will, dass seine Truppen zeitgleich mit den amerikanischen Kampfjets angreifen.

Niemand spricht, während Obama redet. Der Deckenventilator klappert an seiner Plastikhalterung, der Stromspannungsregulator piept und piept. Jeder Ton ist wie ein Nadelstich.

Dann sagt Obama: „Ich habe beschlossen, die Anwendung von Gewalt von den Abgeordneten des amerikanischen Volkes im Kongress autorisieren zu lassen.“

Akaidi öffnet den Mund, schließt ihn wieder, schweigt. Sein Blick wendet sich vom Fernseher und von Obama ab und richtet sich auf den Boden. „Der blufft“, sagt er, „die USA werden heute Nacht angreifen.“

Einer der Offiziere tritt an ihn heran, flüstert ihm etwas ins Ohr. Statt amerikanischer Flugzeuge sind zwei syrische in der Luft. Akaidis Hauptquartier ist ein häufiges Ziel.

Fotografie: Stanislav Krupař
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