Ein Prost auf Kim Jong Un!

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Nordkorea

Ungeöffnet liegt die Kiste aus Styropor auf dem Tisch in dem Hinterzimmer in Pjöngjang, Nordkorea. Das Behältnis, auf das sich die Blicke richten, 52 Zentimeter in der Länge, 42 Zentimeter in der Breite, ist etwas größer als ein Aktenkoffer, groß genug, um einen kleinen Atomsprengkopf zu fassen. Es ist weiß wie Schnee.

Um die Kiste herum nehmen an diesem Abend sechs Männer ihre Plätze ein, sie sind angespannt, tauschen nervöse Blicke aus. Die Zusammenkunft findet in einem Restaurant in einem Plattenbau statt. Die Tür des Raums, in dem sie sich treffen, ist schallisoliert. Der deutsche Unternehmer Holger Fichtel hat die Styroporbox ins Land gebracht. Er weiß, dass ihn nach seiner Rückkehr in Deutschland viele kritisieren werden. Sie werden ihm vorhalten, ein Regime zu unterstützen, das zu den schlimmsten der Welt zählt. Er hat auf dieser Reise viel zu gewinnen und viel zu verlieren. „Ich freue mich sehr, hier zu sein“, sagt er. Bei Fichtel zu Hause wissen nur wenige von seiner Reise. Er trägt einen bayerischen Janker mit Hirschhornknöpfen. Schweiß rinnt ihm in den Hemdkragen.

Moos, Niederbayern, Deutschland, eine nordkoreanische Wirtschafts-Delegation bemueht sich um ein Joint Venture mit der Brauerei Arcobraeu, Brauereidirektor Holger Fichtel fuehrt durch das Graefliche Brauhaus, hier bei der Degustation

Die Nordkoreaner, die ihn links und rechts flankieren, sitzen im Mao-Anzug der Nomenklatura am Tisch; über dem Herzen die Anstecknadel mit den Bildern der Herrscherdynastie der Kims. So wie es Pflicht ist in diesem Staat. Einer der Männer bedeutet der Kellnerin, die Tür zu schließen.

„Also, wie sollen wir beginnen?“, fragt Holger Fichtel. „Von hell nach dunkel?“ Er beugt sich über den Tisch, nimmt den Styroporkasten in beide Hände und zieht den Deckel ab. Da liegen sie nun offen, mit Wasserperlen auf dem Glas: sechs Flaschen Bier.

Fotografie: Martin Sasse
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