Das Fest des Warlords.

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Afghanistan

Als nach Einbruch der Dunkelheit der erste Schuss fällt, vor dem Eingang seiner Residenz, nur wenige Meter von ihm entfernt, beginnt der Gouverneur von Kundus zu summen. Ein Kinderlied. Hamdullah Daneschi sitzt in seinem Wohnzimmer, die Arme auf den Lehnen eines schweren Sessels, und stimmt einen kehligen, beruhigenden Ton an, erst ganz leise, dann, als weitere Schüsse fallen, immer lauter. Der Fernseher läuft, Bilder von Siegen der afghanischen Armee streichen über den Schirm. Von draußen dringen aufgeregte Schreie in die Residenz. Leibwächter greifen nach ihren Waffen, rufen durcheinander, schnallen sich Schutzwesten um, rennen aus dem Zimmer. Doch Daneschi, 58, schaut nicht auf. Er sieht in seinen Schoß und summt die Melodie aus Kindertagen. „Ich darf keine Angst zeigen“, wird Hamdullah Daneschi später sagen. „Ich muss entspannt wirken. Sonst werden sie fliehen.“ Jede Nacht geht es dem Gouverneur nur darum, den nächsten Morgen zu erleben. Und diese Nacht hat gerade erst begonnen.

Fotografie: Stanislav Krupař
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