Bruchstücke.

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Fetische.

Das erste zerstörte Haus, vor dessen Trümmern ich stand, musste ich mit der Hand berühren. Ich strich mit den Fingern über den zermalmten Stein. Die Wände des Gebäudes waren nach innen gekippt, das Dach war herabgestürzt. Diese Trümmer sahen anders aus als alle, die ich bisher gesehen hatte. Das Haus war nicht nach Plan abgerissen worden, man hatte es über Nacht gesprengt. Nachbarn hatten das getan – Nachbarn, die über viele Jahre friedlich mit den Bewohnern des Hauses Tür an Tür gelebt hatten.

Ich war nach dieser Reise ins zerfallene Jugoslawien 1994 tief verstört und nahm mir vor, nie wieder über Krieg zu berichten. Doch der Hass, zu dem Menschen fähig sind, der sie dazu bringt, sich selbst zu zerstören, ließ mich nicht los. Der Hass klebt an einem wie Teer. Immer noch versuche ich zu verstehen, woraus er genau besteht, von welcher Beschaffenheit er ist. Ich habe mir angewöhnt, Materialproben des Hasses mitzunehmen, die Fragmente von Chaos und Apokalypse, oft nur Zentimeter groß. Auf den folgenden Seiten werden sie gezeigt. Sie sind keine Mitbringsel, die beweisen sollen, dass ich an weit entfernten Orten war, sie sind keine Beutestücke. Sie sind so etwas wie Heilsteine. Ich lege sie zu Hause in Regale, wo sie plötzlich harmlos wie vertrocknete Büropflanzen wirken. Es funktioniert. Meistens. Ein afrikanischer Zauber: Ich lasse den Schrecken hinter mir, indem ich etwas von ihm mitnehme.

Fotografie: Alexander Gehring
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