Die belagerte Stadt.

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Donezk

Der Mann, der über Monate den Krieg anfachte, Oleg Tsarev, Physiker und Präsident der Partei von Novorussija, erhebt sich von seinem Stuhl, hoch über Stadt Donezk. Er geht um den großen Schreibtisch herum, an dem bis vor kurzem noch der geflohene ukrainische Provinzgouverneur saß, eilt durch den riesigen Raum zu der Front aus Panoramafenstern. Schwere Explosionen dringen von draußen in das Büro. „Lasst uns mal sehen, was da gerade los ist“, sagt Tsarev und zieht die Vorhänge zur Seite. Vom obersten Stockwerk des Regierungsgebäudes blickt der Präsident der prorussischen Separatistenbewegung auf eine fast menschenleere Stadt. An ihren Rändern, in den Vororten im Süden, zucken in kurzen Abständen Blitze und schießen Staubwolken in die Höhe.

Ukrainische Truppen belagern seit Wochen die Millionenmetropole in der Ostukraine, die die Rebellen zur Hauptstadt der Volksrepublik Novorussija ausgerufen haben. „Seht euch das an“, sagt Tsarev am Fenster. Er schaut in das Feuer, das er entfachte, voller Schrecken und Faszination.

Er habe alles getan, um den Krieg zu vermeiden. „Ich tat mein Bestes“, sagt er. Dann lässt er den Vorhang abermals übers Fenster fallen. Als er wieder hinter dem Schreibtisch Platz genommen hat, wirkt er müde und nervös, die Adern treten aus dem Hals, die Augen sind gerötet. Vier Legislaturperioden saß er im ukrainischen Parlament in Kiev,  hatte es bis zum stellvertretenden Sprecher gebracht, trat im Mai gegen Petro Poroschenko an und unterlag. Jetzt amtiert Tsarev als Sprecher des Rebellenparlamentes der Volksrepublik Novorussija. „Wir haben uns mehr von Russland erwartet“, sagt er. „Wenn Putin uns verloren gibt, gibt er ganz Russland verloren.“

Viktor, a Russian volunteer, who came to fight against Ukraine and to support DNR walkes upon the battle-field nearby Peski, just 1km away from positions of Ukrainian Army.

Er appelliert an Putin, russische Truppen zu schicken, die Ukrainer von den Rändern der Städte Donezk und Lugansk zu vertreiben, damit diese nicht länger in die Stadt schießen können. „Wir werden uns aus der Umklammerung lösen“, sagt Tsarev. „Den Ukrainern wird das Geld ausgehen. Es wird sehr teuer, den Krieg bis in den Winter zu verlängern.“

Nur wenige Tage später, ist alles ganz anders, wie so oft in dieser Krise. Tsarev bekommt seine geforderte Verstärkung – aus Russland. Frische Kämpfer überqueren den letzten von der Ukraine gehaltenen Grenzposten, erobern die Kleinstadt Novoasowk mit 20 000 Einwohnern, sechs Dörfer dazu. Sie kommen mit Artilleriegeschützen und schweren Panzern. Den ukrainischen Truppen, die hier nur wenige Checkpoints besetzen, sind sie an Feuerkraft überlegen. Russland dementiert, dass es reguläre Truppen seien. Ihre Panzer tragen die Fahnen von Tsarev, von Novorussija.

Fotografie: Stanislav Krupař
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