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Der Tag, den sie voller Hoffnung begannen, endet in Verzweiflung. „Es ist vorbei“, sagt Klaus Röper. In Rettungsuniformen klettern die sieben Deutschen über Trümmer, im Gänsemarsch, Rücken krumm, Köpfe zwischen die Schultern gesackt. Die Menschenmenge, die ihnen auf dem Rückweg eine Gasse öffnet, sie aufmuntern will, sehen sie nicht. Blutverkrustete Köpfe, von herabstürzenden Wandteilen aufgeschlagen, nicken ihnen zu, bandagierte Hände recken den Daumen. „Wir haben keine Chance“, sagt Röper wieder, und die anderen schweigen. Auf Schreckliches hatte sich das Team vor dem Flug ins algerische Erdbebengebiet eingestellt, nicht aber auf das Schrecklichste: hilflos zu sein. Eine Reportage über einen deutschen Suchhunde-Einsatz. mehr

 

A day that began with hope ends in despair. “That’s it,” Klaus Röper says. Seven Germans in rescue squad uniforms clamber in lock step over ruins with stooped backs, heads pulled low between their shoulders. The crowd that parts to let them pass wants to cheer them on, but they don’t see it. Onlookers nod encouragement, their heads encrusted with blood, wounded by falling wall fragments. Bandaged hands give a thumbs up. “We have no chance,” Röper repeats. The others say nothing. Before departing for the Algerian earthquake zone, the team had been prepared to see horrors. But not the worst horror of all: their own helplessness. A German search-and-rescue dog mission. more

 

 

 
 

Die Lippen platzen auf. Die Haut ist zum Zerreißen gespannt, man sieht es beim Lachen. Wenn Andrea Hilger, 33, einmal nicht im Dauerlauf durch das Büro jagt, sich niedersetzt zum Reden, halten sich ihre Hände gegenseitig im Klammergriff. Heute morgen gab es wieder dieses Gerücht. Dass die UN ihre Mitarbeiter abzieht. „Ich sollte nicht mehr darauf hören. Hier bist du umzingelt von Gerüchten. Belagert.“ Sandsäcke verbarrikadieren das Bürofenster der Münchner Architektin. Bis zur Zimmerdecke haben sie sie geschichtet, den Himmel - der so schwer lastet auf dieser Stadt – ganz ausgesperrt. Fensterscheiben können zu Messern werden, warnten sie Mitarbeiter. Sie sirren durch die Luft mit glänzenden Kanten und schneiden sich dir tief ins Fleisch. Eine Reportage über vier in Bagdad lebende Deutsche, einen Monat vor der amerikanischen Invasion. mehr

 

The dry heat cracks their lips. Their skin is tight as a drum – you see it when they laugh, or whenever Andrea Hilger, 33, stops rushing around the office long enough to sit down and talk for a minute. Her hands clasp each other like a vise. The rumor reached them again this morning – that the U.N. is pulling out its staff. “I should stop paying attention. You’re always surrounded by rumors here, always under siege.” Her office window is sandbagged. The architect from Munich has piled them right up to the ceiling, completely blocking out the sky that looms so heavily. The windowpanes will turn into flying daggers, colleagues warned her. They swarm with razor edges, cutting flesh like hot butter: four Germans in Baghdad, a month before the American invasion. more

 

 

 
 

Das Haus, in dem du schläfst, starrt aus toten Augen. Die Blicke schmerzen, straffen die kleinen Härchen auf deiner Haut. Sie sind hart und lidlos, so dringen sie in die Träume, lassen dich aufschrecken in der Nacht. Du denkst: Ich ziehe aus, gleich morgen. Es sind die Blicke versteckter Kameras und eisgrauer Menschen, die dir ein pergamentes Lächeln präsentieren. Das Haus versteht sich als Hort der Gastlichkeit. Im Flüsterton nennen Einheimische seinen Namen. Die Wände, heißt es über dieses Haus, saugen Worte. Es hat fünf Sterne, ist das erste Haus am Platze, und nur wenige Gebäude auf der Welt sind so stark verwanzt. Grau ragt das Haus in den blauen Himmel, 14 Stockwerke hoch. Es steht in Bagdad. Sein Mörtel ist Angst. Sein Fundament ist Misstrauen. Der Name des Bauherren prangt in der Eingangshalle in goldenen Lettern: Saddam Hussein. Eine Reportage über die letzten Wochen des Al Raschid Hotels, Februar 2003. mehr

 

The walls stare from inert eyes. Their gaze pains you, gives you goose bumps and cold sweats. The eyes are hard and lidless, and they follow you in your dreams. You wake with a start to see them still following you, and all you can think is: Tomorrow I’m out of here. No more ice-gray faces with parchment smiles, no more video surveillance. The hotel regards itself as a model of hospitality, but locals mention it only in whispers. They say the walls suck up every word – five stars, and as many microphones as any building on earth. Its gray mass pierces the blue sky, 14 stories of concrete and fear, built on a foundation of distrust. The architect’s name gleams in the lobby in letters of gold: Saddam Hussein. The last weeks of Baghdad’s Al Rashid Hotel in February, 2003. more

 

 

 
 

Die Haut reißt mit einem mechanischen Geräusch, das an das Sirren eines Reißverschlusses erinnert. Über dem Hafenbecken von Beirut hängt ein lebendes Rind an einem Lastkran. Festgezurrt an einem Vorderlauf baumelt es in der Luft. Das Tier wird vom Schiff auf den Laster zum Schlachthof verladen. Es ist kotverschmiert, blutverklebt und zu schwach, um zu laufen. Am Lastkran geht seine Haut in Fetzen, unter seinem eigenen Gewicht reißen die Sehnen, kugeln die Gelenke aus. Das Ende einer Reise, die eine Woche dauert, in Ostdeutschland beginnt und sich auf diese oder ähnliche Weise wiederholt - jeden Tag. Eine Reportage über die Tierschutzorganisation „Animal Angels“, die Viehtransporter durch ganz Europa verfolgen und Grausamkeiten anzeigen. mehr

 

Skin tears with a mechanical hum, like the sound a zipper makes. The live steer dangles from a crane over the port of Beirut. Cinched by a single foreleg, it sways from a ship to the truck that will take it to the slaughterhouse. It is smeared with manure, sticky with blood, too weak to walk. Its own dead weight rips its tendons, dislocates its joints. The end of a weeklong journey that started in eastern Germany and repeats itself, with minor variations, every day: The animal welfare organization Animal Angels follows cattle transports the length of Europe, logging instances of cruelty. more

 

 

 
 

Ein Land saniert sich selbst. Es zerlegt sich mitunter auch selbst. So viel Hammer, Bohrer, Spachtel waren in Deutschland nie im Umlauf. Die eigenen Hände haben Konjunktur. 36,6 Milliarden Euro setzt die Baumarktbranche jährlich in Deutschland um. 30 Millionen Bundesbürger sind unter die Dübel-Desperados gefallen. Kinder betet, Vater lötet. Jeder zehnte Mann greift zum Buch, jeder fünfte zum Schlaghammer. Die Frauen holen auf. Heimwerken ist hip. Wir fangen etwas an. Baumärkte sind die Wiegen der Kneifzangenkultur, Obi ist der Oheim unter ihnen, hier hat vor 33 Jahren alles angefangen, und hier entsteht sie jeden Tag neu. „Wir mussten dem Kunden alles beibringen“, sagt Obi-Gründer Manfred Maus. „Ich sage Ihnen: Mühsam, mühsam, mühsam.“ mehr

 

A country in the throes of self-renovation. Or self-demolition. Never have Germans possessed so many hammers, drills, and putty knives. Do-it-yourself, a license to print money: German industry revenues have reached 36.6 billion euros annually. The fever grips 30 million Germans. One man in ten reads books in his spare time, one in five maintains his home – and the women are catching up. Hammers are hip. The Obi chain of warehouse home centers is the grandpa of them all. For 33 years, Obi has helped German consumers reinvent the wheel. “We have to teach them everything,” says company founder Manfred Maus. “I’m telling you, it is tedious, tedious, tedious.” more

 

 

 
 

Die Faust stößt in den Horizont, sie steigt hinauf so hoch sie kann, geballt und mit der ganzen Kraft eines Kindes. Den Stein, den sie umklammert, hastig aus dem Staub gerissen, schleudert sie hinaus, um sofort den nächsten zu ergreifen. Stein um Stein, inbrünstig, ohne Pausen, bewirft ein 12-jähriger Junge das andere Flussufer. Dort stehen zwei Jungs, gleiches Alter, genauso schmächtig, die Steine in die Gegenrichtung werfen. Eigenartig still verläuft diese Schlacht unter Kindern, ganz ohne Worte, ganz ohne Geschrei. Es ist kein normaler Streit, der hier ausgetragen wird. Die Wurfgeschosse kreuzen sich eine Stunde lang über dem Flüsschen. Aus den Fenstern der Häuser schauen Erwachsene, mäßig interessiert, Oberkörper auf Kissen gestützt, sie schweigen. Eine Reportage über die letzte geteilte Stadt Europas: Görlitz/ Zgorzelec. mehr

 

Europe’s last divided city: A hand jabs the horizon, balled to a fist. When it can go no higher, it comes down hard, releasing a rock it had grabbed hastily from the dust, just in time to pick up another. Rock after rock, with concentrated fury, a 12-year-old bombards the opposite riverbank. On the other side, two boys, about the same age and equally puny, fling rocks back the other way. An eerie stillness broods over this childish battle – no banter, no yelling. But this is no normal conflict. Projectiles cross the river for a solid hour. Indifferent adults watch the proceedings from their windows, resting their upper bodies on pillows: Welcome to Görlitz/Zgorzelec at the german-polish border. more

 

 

 
 

Sie sind depressiv, schizophren oder einfach nur alt. Sie werden gehalten wie Tiere, in dunkle Verließe gesperrt, angekettet, jahrzehntelang bis sie verrotten. Sie leiden unter Hunger und Schlägen. Es gibt Zehntausende von ihnen in Westafrika – und einen, der sie retten will. Eine Reportage über psychisch Kranke und die Organisation St. Camille, die sie von den Ketten befreit. mehr

 

 

 

 

 

Depressive, schizophrenic, or simply elderly, they are housed like animals – locked into storage rooms, chained for decades at a time, until they rot alive, beaten and starved. There are tens of thousands of them in western Africa – and others who hope to rescue them: The organization St. Camille works to free the mentally ill from their chains. more

 

 

 
   
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