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PHOTOGRAPHIE Daniel Rosenthal

Der letzte Raubzug

Für Auftraggeber in China jagen Wilderer die letzten Elefanten. Korrupte Regierungen sehen ihnen dabei zu.

 

 Polizist: "Wissen Sie, warum Sie festgenommen wurden?"
 Zeuge: "Ich weiß es nicht."
 Polizist: "Wieso haben Sie es überhaupt gekauft?"
 Zeuge: "Es ist so wunderschön."

Aus den Verhörprotokollen der Flughafenpolizei des Hassan-Djamous-Terminals in N`Djamena, Tschad.

 

Das Blut, teerig und schwarz, hat den Boden dunkel verfärbt, es ist tief in den Humus gedrungen, morastig klebt es an den Schuhsohlen des Lehrers Raphael Baye. Er hebt die Arme, um die Fliegen abzuwehren, die in Schwärmen von der Erde aufschrecken, sich zappelnd in seinem Haar verfangen. Er tritt auf die Lichtung, die der Tod in den Wald geschlagen hat. Früher Nachmittag, die Sonne sticht vom Himmel. "Das ist das Leittier", sagt er zu den Bauern, die ihn hierher führten, zwei Stunden lang, durch Dickicht und Unterholz. Vor ihnen in der Mitte der Lichtung liegt ein einzelner Schädel, mächtig wie ein Monolith, er reicht den Männern bis zum Bauch. Das Haupt eines Elefanten, von dem das Fleisch geschnitten wurde. Raphael Baye steht zwischen den Trümmern des Tieres, dem Kiefer, Hüfte, den Schenkeln. Fetzen angetrockneter Muskelreste bedecken die Knochen.

"Es ist unfassbar. Du musst zu uns nach Baibokum kommen. Du musst dir das angucken!", hatte ihm vor einigen Tagen ein Dorfbewohner und Mitglied seiner Gruppe am Telefon gesagt. "Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Es ist ein Massaker."

Der 34-jährige Baye ist aus der fernen Hauptstadt gekommen, der Generalsekretär einer kleinen Organisation mit den Namen "SOS Elephants". Er geht in die Hocke, legt einen Notizblock auf die Knie. Schreibt "Geschlecht, Bulle" auf das Papier. "Hat jemand die Schützen gesehen", fragt er seine Begleiter, ohne aufzuschauen. Er kennt die Antwort. Das Tier wurde vor zwei Wochen geschossen. Im Todeskampf hat es die Bäume niedergerissen und diese Lichtung geschaffen. Die, die Raphael Baye begleiten, haben das Tier gegessen. Stück für Stück. Sie haben die Wilderer, die es vor zwei Wochen schossen, zu den Wasserstellen der Elefanten geführt, vermutlich dafür sogar eine Prämie bekommen. Zu Hunderten schnitten sie das Fleisch vom Tier, die Plastikgriffe abgebrochener Messer bedecken die Lichtung, die Reste von Säcken, mit denen sie die Beute transportierten. Zweieinhalb Tage brauchten die Einwohner von drei Dörfern, um den Elefanten zu zerlegen. Das Fleisch räucherten sie, jedes Haus hat jetzt Vorräte für viele Wochen, sogar auf dem Markt bieten sie es feil. Der Generalsekretär klappt das Notizbuch wieder zu, Größe des Tieres, Lage, Tag, das alles hat er vermerkt. Er hat auf die Uhr gesehen und die Zeit notiert. Was gibt es mehr zu tun?

Die Bauern, die immer wieder beteuern, sie hätten die Tiere nicht getötet, nur das Fleisch eben hätten sie gegessen, führen Baye zu zwei weiteren Blutkreisen. Eine Elefantenkuh und ein kleineres Kalb, die Vorderseiten ihrer Schädel wurden mit einer Motorsäge abgetrennt. Mehrfach haben Wilderer die Säge angesetzt und ihnen dann die Gesichter abgeschnitten, um die Stoßzähne zu rauben, samt ihrer Wurzeln. Kein Splitter des Elfenbeins ließen sie zurück, dafür ist es zu kostbar. Der kleine Tross aus ungleichen Wanderern beginnt sich zurück zum Dorf der Bauern zu kämpfen, Baibokum, 4000 Einwohner, nahe am geografischen Mittelpunkts Afrikas, im äußersten Süden des Tschad, wo sich Kamerun und die Zentralafrikanische Republik berühren. Im Gänsemarsch durchqueren sie ein Land aus sanften Hügeln und weiten Ebenen, das zum Schlachtfeld wurde, zum Schauplatz von erbitterten Kämpfen zwischen Mensch und Natur, zwischen Mensch und Mensch.

Das Notizbuch wird Raphael Baye am Ende der Reise ins 700 Kilometer entfernte N`Djamena tragen. Dort will er einen Bericht schreiben und den an die Weltpresse schicken. Wie immer wird sich keiner für seine Meldung interessieren.

Der größte Triumph des Artenschutzes droht sich in seine größte Niederlage zu verkehren. Um die Elefanten vor der Ausrottung zu retten, rang sich die internationale Staatengemeinschaft 1989 zu einem bis dahin beispiellosen Beschluss durch. Sie verbot den Handel mit Elfenbein, weltweit, generell und ausnahmslos. In der Folge begannen sich die Bestände des größten Landsäugetieres der Erde zu erholen. Die Industrieländer gaben Geld für seinen Schutz, die Errichtung von Reservaten in Afrika, das Anstellen von Rangern. Der Markt für Elfenbein brach zusammen. Der Elefant wurde von der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten gestrichen. Doch heute ist die Situation in vielen Ländern Afrikas so desolat wie nie zuvor. "Wir haben nur noch fünf Jahre. Wir wissen das", sagt der Artenschutzexperte Carlo Paolini, der die EU berät. Bis dahin wird der Elefant aus fast allen zentralafrikanischen Ländern verschwunden sein.

Hunderttausend Tiere zogen noch 1970 durch den Tschad, 30 000 waren es vor zehn Jahren, geschätzte 2500 sind es heute. Das neue China, in kurzer Zeit zu großem Wohlstand gekommen, hat seine alte Passion fürs "weiße Gold" wiederentdeckt. Zu Hunderttausenden leben Chinesen mittlerweile auf dem afrikanischen Kontinent, hier sichert sich Asien seine Rohstoffe, Öl und Kupfer, das Elfenbein gehört dazu. Ingenieure und Arbeiter senden es nach Fernost, mal in Koffern, mal in Containern. Die Wilderer sind im Blutrausch, zu Tausenden schlachten sie die Tiere jedes Jahr. Der große Raubzug. Der letzte Raubzug.

Er ist in dieser Not einer der Guten, der Aktivist Raphael Baye, einer der Hoffnungsträger im Tschad, wo es andere Probleme gibt als den Schutz von Elefanten. Regiert von einer der brutalsten Diktaturen Afrikas wurde das Land in der Vergangenheit von Rebellionen und Bürgerkriegen erschüttert.

In glühender Hitze erreichen sie das Dorf. Raphael Baye, ein zierlicher Mann, wache Augen, in denen oft der Schalk blitzt, ist Stadtmensch, kein Naturbursche, sondern Lehrer, ehemals Rektor einer Schule, Mitarbeiter verschiedener Ministerien. Was hat er in seinem Leben nicht schon alles versucht. Die Organisation "SOS Elephant Tschad", von einer französischen Rechtsanwältin gegründet, führt im Tschad einen einsamen Kampf. Die Gruppe aus 20 Mitgliedern mit Baye an der Spitze übt Druck auf Regierungsstellen aus und ruft zu Spenden auf. "SOS Elephant" warnt vor der drohenden Ausrottung des Elefanten, als einzige im Tschad. "Wir haben nur Feinde", sagt Raphael Baye. "Der Staat hilft uns nicht. Ich habe kein Büro, ich habe keinen Computer." Er will die Dörfler für den Schutz der Elefanten gewinnen, aber wie viele aus der Hauptstadt neigt Raphael zu langen Vorträgen, der Zeigefinger hängt oft in der Luft, die Bauern blicken müde auf ihn.

Nichts ist im Wald von Baibokum, wie es einmal war. Er ist Endpunkt einer Flucht, die tausende Elefanten quer durch Zentralafrika führt. Doch die menschliche Gier folgt ihnen bis hierher. Bewaffnete Banden streifen umher. Raphael Baye versucht unter den Bauern der Gegend Informationen zu sammeln. 35 Männer seien es, sagen sie ihm, Profis mit Nachtsichtgeräten, sie ritten auf Pferden und transportierten das Elfenbein auf Kamelen. Über die letzten zwei Monate tötete allein dieser Trupp 150 Elefanten. Die Wilderer bezahlen Einheimische als Scouts, sie verfolgen Tiere, heften sich an sie wie Blutsauger. Das Dreiländereck geriet zum letzten Refugium für die Tiere, die sich bis vor zwei Jahren nur selten hierher verirrten. Nun wimmelt es in den umliegenden Wäldern von ihnen. In großen und kleinen Gruppen wandern die Elefanten mit ihren Kälbern in den Südwesten des Tschad. Sie kommen aus allen Richtungen, ein Todesmarsch mit vielen Opfern, über Monate zieht er sich hin, in Kamerun werden sie getötet, auch in der Zentralafrikanischen Republik, dessen Norden Rebellen kontrollieren. Die Reste einst riesiger Herden hoffen in den Bergen, den Häschern zu entkommen. Doch es gibt kein Entkommen.

Der Polizeichef von Baibokum ist betrunken, mit dem Moped tänzelt er über die Dorfpiste. Er hält, als er Rafael sieht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaut der Kommissar auf seinen geschwollenen Daumen. Der hat sich entzündet, nachdem der Polizeichef vor wenigen Tagen zu einem toten Elefanten gerufen worden war. "Ein Insekt von seinem Kadaver hat mich gestochen." Der höchste Vertreter der Staatsmacht in der Region versucht, sich trotz der Trunkenheit zu konzentrieren, es kommen selten Auswärtige ins Dorf, er sagt, die Wilderei sei sein größtes Problem. "Letztes Jahr haben sie zwei meiner Leute getötet." Ein dritter starb vor wenigen Tagen, als er eine Bande zufällig beim Absägen der Stoßzähne überraschte, Brustschuss, sagt der Kommissar. Er habe gestern in der Hauptstadt um Verstärkung gebeten, auch einen Dienstwagen brauche er dringend. "Der einzige Jeep, den wir haben, hat einen Kolbenfresser. Wie sollen wir da Wilderer verfolgen?" Er steigt von seinem Moped, wankt ein bisschen, schaut auf seinen Daumen. "Ich muss zum Arzt", sagt er bekümmert.

Raphael verbringt mehrere Tage in den Dörfern um Baibokum, hört die Klagen der Bauern, die von der Regierung entschädigt werden wollen. Die Elefanten, auf kleinstem Raum zusammengetrieben, von allen Seiten von Häschern bedrängt, zerstören die Felder. Zerbrechen im Wald die Bäume, deren Blätterwerk sie fressen, jeder vierte Stamm liegt in Splittern. "Ich habe kein Geld!", sagt er den Bauern während der Mittagshitze. "Ich habe kein Geld!", sagt er abends im Schein einer nackten Glühbirne zu Samuel Benou, Gründer einer Genossenschaft, Mitglied von "SOS Elephants". Nachdem Benou im Radio von der Existenz der Elefantenschützer hörte, hat er sich ihnen angeschlossen. Es war auch Benou, der Raphael gebeten hatte, in den Süden zu kommen. "Gründet einen Nationalpark!", sagt Benou. "Ihr müsst die Bauern kompensieren." Doch Raphael mag Samuel Benou nicht, je länger er bleibt, desto unwohler fühlt er sich. Benou glaubt, Rafael tue nicht genug, lasse ihn in der Provinz im Stich, und Raphael fühlt sich von Benou bedrängt. Immer häufiger ist Schweigen am Tisch, wenn sie zusammensitzen.

Sierra Leone gab den Tod seines letzten Elefanten im Herbst vergangenen Jahres bekannt. Als nächstes droht der Untergang der Herden von Mali und Niger, die nur noch aus wenigen Dutzend Tieren bestehen. Kamerun und der Kongo verlieren tausende Dickhäuter jedes Jahr. Die Bestände von Mozambique und Uganda brechen ein. Die besser geschützten Herden in Kenia und Tansania vermelden Rekordverluste. Zugleich steigt auf dem Schwarzmarkt der Wert für Elfenbein in astronomische Höhen. Lag das Kilo im Jahr 2004 bei 200 Dollar, wird es mittlerweile zu 2000 Dollar gehandelt. Wie im Altertum ist damit Elfenbein wieder wertvoller als Silber.

Der Präsident, dessen Portrait in jedem Amtszimmer hängt, ein hochgewachsener Herr mit strenger Miene, hat den Schutz der Elefanten im Tschad zu seiner Sache gemacht. Vor zwei Jahren, kaum hatte er den letzten Bürgerkrieg gewonnen, ordnete er im Kampf gegen die Wilderer den Einsatz der Mobilen Einsatztruppe an. Im Volksmund heißen sie schlicht "die Gesetzlosen". Raphael unterhält beste Kontakte zu ihnen, er besitzt die Handynummern der wichtigsten Kommandeure, bei Problemen ruft er sie an. Auch jetzt, beim großen Massaker in Baibokum, setzt er seine Hoffnungen auf sie. Samuel Benou weigert sich, mit der Truppe zusammenzuarbeiten. Das sorgt für zusätzlichen Unfrieden zwischen den beiden.

Eine Hure haben sich die Elefantenschützer besorgt, den Innenhof eines Offizierskasinos zu ihrem Lagerplatz erkoren, italienische Opernmusik schallt aus dem Radio. "Komm rüber!", lallt Hauptmann Taher an dem Abend, als Raphael der Truppe seine Aufwartung macht. Vierzehn Tage kampieren die Männer nun schon bei Baibokum, und immer noch haben sie keinen Wilderer gesehen. "Brauchen wir auch nicht", sagt Taher. "Sobald sie hören, dass wir in der Gegend sind, verschwinden die über die Grenze." "Hey!", schreit er zu der Hure, eine junge Frau im weißen Schleier. "Was bist du so schüchtern plötzlich!" Sie rutscht ihm auf den Schoß, den eine faustgroße metallene Gürtelschnalle ziert, er zupft ihr an den Brüsten, wie gedankenverloren, und trinkt "Guinness". Um ihn herum rauchen die Soldaten Marihjuna. Dazwischen sitzt Raphael, schüchtern, mit eingezogenen Schultern, und bemüht, nach allen Richtungen rechtzeitig zu lächeln. Bald streitet die Truppe im Vollsuff. Der Hof ist mit ihrem Brüllen erfüllt. Die Untergebenen drohen Hauptmann Taher, und der droht seinen Untergebenen, neues Bier wird geholt, so vergeht der Abend.

   

So vergeht der Morgen. Joints werden gerollt, bevor sie in der Dämmerung zur nächsten Fahrt aufbrechen. Ihr Jeep rast in die Dunkelheit, stoppt nach hundert Metern abrupt, weil sie hinten auf der Ladefläche das "Guinness" vergessen haben. Die unsichtbaren Gegner, die sie jagen, auf präsidiales Geheiß, ohne Rücksichtnahme auf Provinzverwaltungen und Ministerien, rekrutieren sich aus fast allen Nachbarstaaten. Fast alle von ihnen sind sogar noch zerrütteter als der Tschad, vor allem der Sudan. Die Wilderer sind straff organisiert, mit ihrer Beute handeln sie in ganz Zentralafrika. Hauptmann Taher ist keine Bedrohung für sie, er ist eine Bedrohung für die Zivilbevölkerung. Er jagt in seinem Jeep über die Landstraßen, so schnell, wie es im Tschad nur ein Offizier der Eingreiftruppe wagen kann. Hinter sich zieht er eine Staubfahne wie eine Sense. Die Menschen in den Dörfern rennen um ihr Leben, springen von der Piste, die Soldaten johlen, buhlen um jedes Mädchen am Wegesrand. Die Herren dieser Welt. Sie vergewaltigen, heißt es allenthalben, sie prügeln bei Durchsuchungen, sie nehmen in den Dörfern Geiseln und drohen damit, sie zu erschießen, sollten sie keine Informationen geben. "Ich bin bereit, jederzeit zu sterben!", ruft Hauptmann Taher. "selbst, wenn ich besoffen bin." Es gibt Gerüchte, dass die meisten Elefanten dort sterben, wo gerade die Mobile Einsatztruppe stationiert ist.

"Wer bin ich, dass ich vorschlagen könnte, die besser zu kontrollieren!?", sagt der Direktor für Naturschutz in N´Djamena, Banymary Daboulaye, ein gewichtiger 64-Jähriger. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch. "Ich weiß nicht, was die mit dem beschlagnahmten Elfenbein machen, wie viele Wilderer die töten und wo. Ich weiß nichts von denen. Ich will nichts von denen wissen." Vergangenes Jahr nahm ihn die Mobile Einsatztruppe in Haft. Tahers Männer warfen ihm vor, er habe unter der Hand Abschusslizenzen für Giraffen verkauft. Einen Tag lang verhörten sie ihn an einem versteckten Ort. Er hatte zuvor einflussreiche Verwandte informiert, erzählt er, zur Sicherheit, um zu verhindern, dass er spurlos verschwunden bleibt. Früher war Deboulaye Bürgermeister einer größeren Stadt im Süden, dort hat er angeblich die Löhne der Verwaltungsangestellten veruntreut. So enthob ihn die Regierung seines Amtes und gab ihm einem neuen Posten, auf dem er jetzt allen Nationalparks vorsteht. Darunter ist die wuchtigste Bastion des Elefanten im Tschad: das Schutzgebiet Zakuma. Wenn der Elefant hier nicht gerettet werden kann, kann er es nirgendwo.

Die Zeit ist auch in Zakuma gegen die Artenschützer. "Es kann jederzeit losgehen", schaut der Parkmanager Rian Labuschagne besorgt zum Himmel, als er mit einem Bulldozer die neue Startbahn planiert. Acht dieser Landepisten sind im Bau, systematisch hat sie Labuschagne über die Fläche des Schutzgebietes verteilt. Setzt in Zakuma der große Regen ein, verwandelt sich alles Land in Sumpf und beginnen die Elefanten das Schutzgebiet zu verlassen. Die 300 000 Hektar des Nationalparks werden zu zwei Millionen Hektar. Ein Gebiet, groß wie Portugal, von Wasserläufen und Seen durchzogen. Unmöglich mit 65 Rangern zu überwachen. Die Elfenbeinräuber attackieren die Herden auf ihren Wanderungszügen. Aber Verluste kann sich Rian Labuschagne nicht leisten. Es gibt nämlich kaum mehr Elefanten in Zakuma. Trotz Millionenhilfen der Europäischen Union gingen sie von 3900 im Jahr 2005 auf im vergangenen Jahr nur noch 450 zurück. Das Militär wilderte, Rebellen drangen ein, der Gouverneur verdiente, die Ranger machten mit. "Wir müssen diese Zahlen unbedingt halten", sagt Lebuschagne. "Verlieren wir noch mehr, schaffen es die Tiere nicht mehr, sich aus ihrem Bestand heraus zu vermehren." Der Park ist wie ein sterbendes Paradies mit einem weißen südafrikanischen Ehepaar darin, das das fast Unmögliche vollbringen soll.

Rian und Lorna, die sich im Studium kennen lernten, seither in gemeinsamen Projekten arbeiten, niemals getrennt, dabei zwei Kinder großzogen, lieben die Einsamkeit. "Zakuma ist ein Extrem", sagt Rian. Das Paar ist erst seit drei Monaten auf diesem Außenposten. Die Gremien der EU waren kurz davor, das Projekt Nationalpark als gescheitert aufzugeben. Die Entwicklungshelfer hatten ein Straßennetz gebaut, eine Verwaltung, sogar ein kleines Touristendorf mit Restaurant und Safari-Jeeps. Die Brüsseler Pläne aber gingen nicht auf, 14 Ranger starben, die Elefanten wurden weniger, die Korruption wurde mehr. Zakuma galt der herrschenden Elite als Selbstbedienungsladen. Jeder nahm so viel er konnte, erzählen in Zakuma altgediente Mitarbeiter. Die EU, im Kleinkrieg mit der Regierung zermürbt, übergab die Elefanten an das private Parkmanagement "African Park" mit Sitz in Johannesburg. Rian und Lorna sind der letzte Versuch.

Unter eine Schutzkuppel aus Hightech wollen die Südafrikaner das Gebiet legen. Lorna beginnt jeden Tag mit dem Anschalten des Laptops, das ihr die aktuellen Satellitendaten von 30 Elefanten zeigt, auf zehn Meter genau. Die letzten Wochen verbrachten sie damit, einzelnen Tieren 15 Kilogramm schwere Sender um den Hals zu spannen. Das Weltall gibt ihr die GPS-Daten, die sie in der Morgenbesprechung dem Chef der Ranger weiterreicht. Jede größere Elefantengruppe im Park wird von fünf Aufpassern auf Pferden begleitet, Tag und Nacht. Auch ihre Bewegungen werden vom Satelliten überwacht. Lorna verfeinert den ganzen Tag das System, überträgt noch präzisere Karten aus dem Internet, feilt am Funk, erzählt dem Rangerchef von ihren neuesten Erkenntnissen, auf Englisch, obwohl der nur Französisch versteht. Das wiederum versteht Lorna nicht.

Es gibt im Nationalpark so viele Probleme, und den Elefanten bleibt so wenig Zeit. Die Ranger murren, über zu schlechte Bezahlung, mangelnde Leistungen im Krankheitsfall, die Bewaffnung. Rian traut ihnen nicht. Er befürchtet Meutereien. In dieser kritischen Zeit erhofft er sich Entlastung von neuer Technik, modernster Waffentechnologie, dem "Eurocopter". Rian schwärmt, die Regierung in N´Djamena hat ein großzügiges Angebot gemacht. Fünf Exemplare des europäischen Kampfhubschraubers stehen in den Hangars der Diktatur, Frankreich verkaufte sie dem Tschad nach dem Bürgerkrieg. Dem Militär mangelt es aber an Piloten, die die Kampfmaschinen fliegen können. Der Verteidigungsminister bietet Rian an, eine Maschine für zwei Monate nach Zakuma abzustellen. Die Parkverwaltung müsse im Gegenzug einen Piloten aufbieten, der die Tschader ausbilde. Um besser gegen die nächste Rebellion gerüstet zu sein – wobei Rian dieser Gedanke noch nicht kommt. "Nicht schlecht", sagt er. Vielleicht gebe die EU dafür sogar zusätzliche Mittel frei.

Es gibt im Tschad keine einfachen Entscheidungen, keine, die ohne Makel bleiben. Um Natur zu retten, paktieren Umweltschützer mit Diktatoren. Um das Leben von Tieren zu schützen, wird das von Menschen ausgelöscht. Verlieren Kinder ihre Väter, die ausgezogen waren, um Geld zu verdienen. Lassen die Ranger von Rian Labuschagne im Nationalpark tote Wilderer liegen und warten darauf, dass Hyänen die Kadaver in Stücke reißen.

Raphael Baye, der Generalsekretär von "SOS Elephants" ist nach N`Djamena zurückgekehrt. Aus der Hauptstadt berichtet er endlich von einem Erfolg. "Unglaublich", sagt er. "Zum ersten Mal haben sie zwei Chinesen gefasst!

Der General, der seit fünf Jahren für die Flughafenkontrollen zuständig ist, bestellt drei Tage später einen sehr teuren Wein in einem sehr teuren Restaurant in N´Djamena. Er strahlt, hippelt dabei aufgeregt auf seinem Stuhl, als hätte er sich zu viele Wachmacher gegönnt. "Die von SOS Elephants", lacht er. "Die haben mir die Hölle heiß gemacht." Er habe bisher nie auf Stoßzähne kontrollieren lassen, auf Drogen natürlich und Waffen. "Aber Elfenbein hatte ich nicht auf der Liste der Dinge, die nicht ausgeführt werden dürfen." Einen Fortbildungskurs habe er deshalb den Kontrolleuren verordnet, und prompt lieferten sie Ergebnisse. "Stoßzähne von fünf Elefanten", sagt der General. Zerschnitten in kurze Segmente, verpackt in viele blaue Koffer. Ihre Besitzer seien festgenommen worden. Ein Projektleiter aus Peking, der draußen in der neuen chinesischen Raffinerie beschäftigt sei, und einer dessen Mitarbeiter. "Sie wurden leider freigelassen", fügt er bedauernd hinzu. Die chinesische Botschaft habe jemand zum Flughafen geschickt und die beiden mit Diplomatenpässen versorgt. "So machen die das immer, wenn es Probleme gibt."

Der General hat das beschlagnahmte Elfenbein nicht, sagt er. Das habe die Flughafenpolizei. Der zuständige Kommissar erklärt, sein Vorgesetzter habe es ans Umweltministerium weitergeschickt. Dort hat es der eigentlich zuständige Nationalparkdirektor Daboulaye auch nicht. "Ich war an diesem Tag im Urlaub. Ich habe nie etwas gesehen. Vielleicht ist es bei der Staatsanwaltschaft."

Der Staatsanwalt drückt auf einen Plastikknopf am linken Eck seines Schreibtisches und lässt aus der Asservatenkammer des Zentralgerichts holen, was daraus noch nicht verschwunden ist. Die Spitze eines Stoßzahns. Der Staatsanwalt trägt spitze glänzende Schuhe, wie Storchenschnäbel ragen sie unter der Schreibtischplatte hervor. Beim Reden hält er seine Hände gefaltet. "Ich glaube nicht, dass die Chinesen jemals zur Polizeistation gebracht wurden." "Ich würde ja gerne den Fall weiter verfolgen. Leider ist aber die Gesetzeslage unklar." Das Gesetz nämlich verbiete nur die Ausfuhr bedrohter lebender Tiere, nicht von Teilen bereits verstorbener Exemplare. Das von seinem Präsidenten unterschriebene internationale Verbot des Elfenbeinhandels kennt er nicht. Der Staatsanwalt lächelt. Er hat seinen Spaß.

Der, der im Tschad im Kampf um die Elefanten zu den Guten zählt, Raphael Baye, verfasst noch eine letzte Pressemeldung über die Chinesen, verteilt diese zu Fuß an die sieben Redaktionen der Stadt, dann enthebt ihn die "SOS Elephants"-Gründerin seines Amtes.

Er soll Gelder veruntreut haben.

 

 

 
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Daniel Rosenthal, Berlin
www.danielrosenthal.de